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Stiefvater vs. Vater

 


von Jacob Erber


Es war ein kühler Frühlingsabend, als ich meinen Antrittsbesuch bei meiner heutigen Lebensgefährtin machte. Zuvor haben wir uns immer nur in Cafe’s oder Restaurants in der Stadt getroffen, doch an jenem Abend sollte ich auch ihre Kinder – 3 Jungs im Alter von 5, 9 und 11 – kennen lernen.

S. geleitete mich in die Küche und da sassen sie, wie aufgereiht auf der Eckbank und schauten mich an, mit einer Mischung aus Schüchternheit und Neugier. Drei Augenpaare, zwei dunkle und ein grünes vom Kleinsten. Auch ich war etwas nervös bei diesem ersten Zusammentreffen, aber schon bald wurde mir klar, welch nette, aufgeschlossene und gut erzogene Kinder ich da vor mir hatte. Ganz legten sie ihre Schüchternheit den ganzen Abend nicht ab, das machte sie mir umso sympathischer, zähle ich doch selber zu den eher zurückhaltenden Menschen. Desto schöner waren die Momente, wo zum ersten Mal ein Lächeln auf den ernsten Gesichtern erschien.

Das liegt jetzt schon beinahe sieben Jahre zurück. Inzwischen sind die kleinen Buben von damals schon fast volljährig bzw. im Teenageralter. Seit fast sieben Jahren begleite ich nun diese Kinder als Stiefvater? Als Freund? Zeit für einen Rückblick, eine Bestandesaufnahme und einen Ausblick.

Vom Besucher zum Freund und Familienmitglied

Die Aufnahme von mir in die Familie meiner Partner erfolgte sozusagen stufenlos. Aus einem regelmässigen Besucher, der jeweils freudig erwartet wurde, wurde unmerklich ein Freund, den man auch in Dingen des Alltags um Rat fragen konnte – was eine besonders schöne Erfahrung für mich war -, zu einer männlichen Bezugsperson, von der die Buben auch problemlos Anweisungen entgegennahmen und dessen Entscheidungen in den allermeisten Fällen nicht mehr bei der Mutter hinterfragt werden mussten. Ich habe mich in der Vergangenheit mehr als einmal gefragt, wie es kam, dass meine „Integration“ so völlig ohne Abstossungsreaktion von Seiten der Kinder vonstatten ging. OK, ich glaube ich kann einigermassen mit Kindern umgehen, aber diese Fähigkeit war eigentlich nur bei kurzen Zusammentreffen mit Kindern aus meiner Familie oder von Bekannten erprobt. Langzeiterfahrung hatte ich keine. Was könnten sonst noch für Gründe mitgespielt haben? Hatten die Kinder bereits so klar realisiert, dass ihr Vater nicht mehr in die Familie zurückkommen würde, so dass sie in der Lage waren einen neuen Partner an der Seite ihrer Mutter zu akzeptieren? Erkannten die Buben, dass es ihrer Mutter in der neuen Beziehung nach der harten Trennung wieder besser zu gehen begann? Es sah so aus, als wäre ich willkommen, eine vorhandene Lücke auszufüllen.

Integriert im Alltag

Man kann sagen, dass ich mit den Kindern einen Alltag teilte, in dem ich mich von einem richtigen Vater kaum unterschied: ich kochte, half bei den Hausaufgaben, besuchte Elternabende, fuhr mit in den Urlaub, scherzte, schimpfte, tröstete, gab Rat, war weg zur Arbeit. Es blieben ein paar wenige sehr intime Dinge, welche die Kinder weiterhin nur mit ihrer Mutter besprechen wollen. Ich fühle mich dadurch nicht zurückgesetzt, sondern gönne meiner Partnerin dieses wohlverdiente Privileg. Auf der anderen Seite weihten mich die Buben bei Dingen, die von „Mann zu Mann“ zu besprechen waren oft noch vor der Mami ein. Nachdem mir die Kinder ihr Vertrauen geschenkt hatten, bekam auch ich die schönen Dinge einer Familie mit Kindern zu spüren. Die verregneten Sonntag Morgen, als die Kinder anfangs noch oft eins nach dem andern zu uns ins Bett kamen, oder rührende Geständnisse des Kleinsten(5): „Du Jacob, ich glaub ich habe den Osterhasen gesehen.“ –„Ja, Wirklich? Und wie hat er den ausgesehen?“ – „Fast ganz durchsichtig“.

Keine Konkurrenz zum leiblichen Vater

Und der Vater? Erstaunlicherweise, war dessen Stellung nie in Frage gestellt, jedenfalls nicht nach meiner Einschätzung. Die Besuche beim Vater – jedes zweite Wochenende und auch ein bis zwei Abende unter der Woche – wurden immer ohne Murren und wie selbstverständlich wahrgenommen. Und dennoch gab es mit ihm nie eine Konkurrenzsituation. Heute glaube ich, dass sich die Kinder einfach von uns beiden je das geholt haben, was sie brauchten. Im Gegensatz zur normalen Familie, wo aufgrund des Gelderwerbs meistens kein „ganzer“ Vater vorhanden ist, fanden die Kinder in uns beiden Männern den kompletten Vater. Zu eigentümlichen Situationen kam es nur, wenn der Vater und ich gleichzeitig anwesend waren. Dann konnte man den Kindern eine gewisse Verlegenheit anmerken. Zum Beispiel konnte man leicht erkennen, wie schwer sich der Kleinste bei der Entscheidung tat, bei wem er sich auf den Schoss setzen sollte.

Die schwierige Frage nach eigenen Kindern

Dies alles darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Scheidung der Eltern sehr wohl ihre Spuren bei den Kindern hinterlassen hat. Besonders der Älteste schien davon betroffen und litt lange daran, ohne dass wir genau herausfinden konnten, was ihn wirklich bedrückte. In Ablehnung gegenüber mir äusserte sich dies jedoch nie.

Manchmal kommt natürlich der Gedanke an eigene Kinder auf. Dann frage ich mich, ob ich meinen Teil am Familienleben und Kindern bereits „abbekommen“ habe, oder ob mir später etwas fehlen wird, ohne eigene Kinder. Diese schwierige Frage konnte ich bis heute nicht abschliessend beantworten. Ich glaube jedoch nicht, dass ich mich so auf die Kinder meiner Partnerin hätte einlassen können, wenn ich damals bereits eigene Kinder gehabt hätte.
Die Zukunft wird zeigen, ob meine Beziehung zu „meinen“ Kindern auch ihren Abflug aus dem Elternhaus übersteht. Ich bin zuversichtlich.

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